HOLSTENTOR - LICHTSPIELE

Lübeck (Schleswig-Holstein),

eröffnet: 1913
geschlossen: 30.12.1980
Sitzplätze:
Architekt: Waldemar Hüsing (Umbau 1952)
Betreiber:
Wilhelm Rittscher Erben
Reinhold Werschky
Deutsche Lichtbild-Gesellschaft
Arnold Mest
Ufa
Frau Gertrud Mest
Kurt Wittenberg
Theresia Hübener & Siegfried Stanitz
1913-1914
1924-1928
1929-1930
1930-1942
1942-1945
1945-1952
1952-1967
1968-1980
Kinoname: Cines-Hansa-Theater
Kinoname: Hansa-Theater-Lichtspiele
neuer Kinoname: Delta  -Lichtspiele



neuer Kinoname: Holstentor-Lichtspiele


Seit dem Jahre 1655 existierte die Gastwirtschaft Reuterkrug in der Lübecker Vorstadt St. Lorenz, die 1879 einen Saalbau erhielt. Im sogenannten Circus Reuterkrug an der Moislinger Allee 18a, zu jener Zeit im Besitz von Friedrich Wilhelm Rittscher, fand am 1. Dezember 1897 erstmals eine Kinovorstellung statt. In den Folgejahren waren Filmvorführungen häufig Bestandteil der Varietéprogramme im Reuterkrug, ohne allerdings zu einer eigenständigen Attraktion zu werden. Am 1. November 1904 wurde der Circus Reuterkrug durch ein Feuer zerstört. Rittscher ließ an gleicher Stelle ein erheblich größer dimensioniertes Operetten- und Varietétheater erbauen.

Am 1. März 1906 wurde das Hansa-Theater eröffnet, ein repräsentativ ausgestattetes Haus mit 2000 Sitzplätzen. Auch im neuen Theater fanden wieder in die Varietévorstellungen integrierte Filmvorführungen statt, die jedoch ein Programmpunkt unter vielen blieben. Das Hansa-Theater war hauptsächlich Operettenbühne. Da der Betrieb eines kostenintensiven Varieté- und Operettentheaters wenig profitabel war, versuchten die Erben des 1909 verstorbenen Rittscher von der Popularität der Lichtspielhäuser zu profitieren, indem sie im Zuge einer Renovierung 1913 einen Filmvorführraum einbauen ließen und unter dem Namen "Cines" Hansa-Theater eigenständige Kinovorstellungen einführten. Der Erfolg war jedoch gering, und nach Ende der Spielzeit wurde das Cines wieder aufgegeben.

Nach dem Ersten Weltkrieg erwarb der Hamburger Geschäftsmann Albert Hübener das Hansa-Theater. 1924 übergab er die Direktion an den Lübecker Reinhold Werschky, der das unwirtschaftliche Theater zum Großkino umbauen ließ. Am 1. Februar 1925 eröffneten die Hansatheater-Lichtspiele. Die weiterhin vorhandene Theaterbühnentechnik wurde vorwiegend in den Sommermonaten verwendet, wenn das Kino Spielpause hatte und stattdessen Revuen, Theaterstücke oder andere Veranstaltungen stattfanden. Werschky leitete die Hansatheater-Lichtspiele bis August 1928. Dann versuchte der Sohn des zwischenzeitlich verstorbenen Eigentümers, das Haus noch einmal als Operettenbühne zu betreiben, was jedoch ohne Erfolg blieb. Anfang 1929 verpachtete Hübener das Hansatheater an die Deutsche Lichtbild-Gesellschaft.

Die DLG ließ das Lichtspielhaus komplett modernisieren und Tonfilmapparaturen installieren. Am 16. September 1929 erfolgte mit einem Festakt die Wiedereröffnung unter dem neuen Namen Delta-Lichtspiele. Das umgebaute, aufwendig ausgestattete Haus verfügte über 1200 Plätze und war mit Platzanweiserinnen, Foyers und Garderoben im Stil eines klassischen Theaters eingerichtet, was den Kinobesuch zu einem besonderen Ereignis auf dem Niveau eines Theaterbesuchs machte. Das neuerbaute Portal sendete Lichtfluten ins abendliche Dunkel. Im Innenraum wurden dem Zeitgeist entsprechend jegliche Verzierungen weggelassen, um das Auge des Besuchers nicht abzulenken. Man bevorzugte ruhige Farben. Zur Eröffnung hörte man zuerst Fanfarenklänge, die mittelalterlich gekleidete Herolde erschallen ließen. Der Regisseur Peter Jakobi, der geistige Vater des Henny Prten-Films "Mutterliebe", übernahm persönlich die Begrüßung der Gäste. Die ursprünglich erwartete Henny Porten war durch einen Kuraufenthalt im Süden verhindert. Zur Einleitung lief der Film "Links der Isar, rechts der Spree", im Anschluss daran "Mutterliebe". Das Orchester hatte beachtliches Niveau, was es mit dr Ouvertüre aus Offenbachs "Orpheus" unter Beweis stellte. Doch schon bald kamen die Tonfilme... L29226

Neben der Stadthalle galt der Delta-Palast in den kommenden Jahren als das angesehenste Kino der Stadt, in dem auch die Mehrzahl der Lübecker Erstaufführungen neuer Filme stattfand. Im Gefolge der Weltwirtschaftskrise verkaufte die DLG den Delta-Palast am 11. Oktober 1930 an Arnold Mest, der bereits die U.T.-Lichtspiele leitete und dessen Vater Artur Mest Eigentümer des in Magdeburg ansässigen Kinokonzerns Kammerlichtspiele GmbH mit zahlreichen Lichtspielhäusern war. Zunächst war der Delta-Palast nur als sogenanntes Regietheater vertraglich an den Mest-Konzern gebunden, ging dann aber zusammen mit den U.T.-Lichtspielen vollständig in das Eigentum der Kammerlichtspiele GmbH über. Neuer Geschäftsführer wurde bis 1942 der Konzernmitarbeiter Kurt Schulz. Da der Mest-Konzern als bedeutendes Kinounternehmen bei Filmverleihern bessere Konditionen erhielt als unabhängige Lichtspielhäuser, konnte der Delta-Palast mit dem attraktivsten Kinoprogramm Lübecks aufwarten.

1942 wurde die 1935 erlassene Verordnung zum Schutze der Klein- und Mittelbetriebe unter den deutschen Filmtheatern verschärft. Fortan durfte kein Unternehmen - mit ausdrücklicher Ausnahme der Ufa - mehr als vier Kinos besitzen; die Zahl verringerte sich weiter, wenn sich unter den Kinos ein oder mehrere Häuser mit mehr als 800 Plätzen befanden. Der Mest-Konzern musste den Delta-Palast zwangsweise an die Ufa abtreten. Den Zweiten Weltkrieg überstand der Delta-Palast ohne Schäden und wurde an Arthur Mests Witwe Gertrud, die nunmehr die Kammerlichtspiele GmbH leitete und 1949 nach Lübeck übersiedelte, zurückerstattet. Allerdings musste das Lichtspielhaus, das nach wie vor über eine komplette Theaterbühneneinrichtung verfügte, zunächst seine Einrichtungen mit dem Lübecker Stadttheater teilen, dessen Räumlichkeiten von der britischen Besatzungsmacht beschlagnahmt waren.

Durch die Vernachlässigung während des Krieges und in der unmittelbaren Nachkriegszeit war der Delta-Palast zu Beginn der 1950er Jahre in schlechtem Zustand und renovierungsbedürftig. Gertrud Mest wünschte den im Herbst 1952 auslaufenden Pachtvertrag nicht zu verlängern. Die Ufa bekundete daraufhin Interesse an einer Übernahme des Lichtspielhauses, aber der Eigentümer, Hans Hübener, verpachtete das Kino an Kurt Wittenberg, der bereits die Burgtor-Lichtspiele führte. Bei den Umbauten, die am 30. September 1952 begannen und fünf Wochen in Anspruch nahmen, wurde das Innere des Kinosaals komplett modernisiert und im Stil der 50er Jahre neugestaltet. Sämtliche Sitze waren gepolstert und mit tiefblauem Tuch überzogen., Die Wände wurden vollkommen mit Stoff ausgespannt. Die Zahl der Plätze wurde auf 974 verringert; als Filmprojektoren wurden die seinerzeit neuesten Ernemann X-Geräte installiert. Die Bühnentechnik blieb erhalten, da Wittenberg der Tradition des Hauses folgend auch weiterhin Showprogramme und Auftritte von bekannten Unterhaltungskünstlern bieten wollte. Die Wiedereröffnung unter dem Namen Holstentor-Lichtspiele erfolgte am 7. November.  E5301

1968 übernahmen die Witwe von Hans Hübener (Theresia Hübener) und Siegfried Stanitz, der seit 1954 das Kino als Geschäftsführer für Wittenberg geleitet hatte, als Hübener & Stanitz OHG die Holstentor-Lichtspiele. Mittlerweile befanden sich die Lichtspielhäuser in einer allgemeinen Krise, hervorgerufen durch die Konkurrenz anderer Freizeitangebote und durch unattraktive Filmangebote. Da Stanitz keinem Kinokonzern angehörte, erhielt er überdies nicht die publikumswirksamsten Filme; ein umfangreiches Aufgebot an Personal konnte er nicht mehr finanzieren und betrieb die Holstentor-Lichtspiele zu dritt mit seiner Ehefrau und einer Angestellten.

Im Frühjahr 1971 ließ Stanitz einen kleinen zusätzlichen Kinosaal mit 125 Plätzen in die vorhandenen Räumlichkeiten einbauen, der den Namen Bambi erhielt. Auf diese Weise entstand ein Doppelkino, das zugleich das erste Kinocenter Schleswig-Holsteins war. Im Bambi liefen vorwiegend die zu jener Zeit populären Softsex-Filme, die sich als profitabel erwiesen und daraufhin auch im Hauptsaal gezeigt wurden. 1979 verkaufte die Erbengemeinschaft Hübener Grundstück und Gebäude; es stand fest, dass die Holstentor-Lichtspiele nach Auslaufen des Pachtvertrags abgerissen werden sollten. Nach einem letzten Anstieg der Zuschauerzahlen in den abschließenden Wochen, da Capitol und City wegen Umbauten zeitgleich geschlossen hatten, fand am 30. Dezember 1980 die letzte Filmvorstellung statt.
Quelle u.a: Wikipedia



Ansicht 1927 (Bildquelle: Postkarte)

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Datum der Erstellung/letztes Update: 27.04.2022