STADTRAND - LICHTSPIELE

Berlin - Frohnau, Hubertusweg 46

eröffnet: 1945
geschlossen: 1963
Sitzplätze: 200 (1948) - 199 (1958)
Architekt:  
Betreiber: Paul Loesel u. Alfred Schmidt   mind.1947-1952

Charlotte Loesel                       1958

Stadtrand – Lichtspiele im Haus 46 der Invalidensiedlung in Berlin-Frohnau

Im Großen Saal des Gemeinschaftshauses fanden nicht nur die schon geschilderten gemeinsamen Veranstaltungen statt. Der Saal war auch als vollwertiges Lichtspiel-Theater nach den Richtlinien für Lichtspieltheater von 1939 ausgestattet. Mit zwei Projektoren und Leinwand usw. Nur war die Bestuhlung provisorisch, denn es sollten ja die anderen Gemeinschaftsveranstaltungen wie Tanzvergnügungen, geselliges Beisammensein, Veranstaltungen jeder Art (z.B. Geburtstagfeiern für Friedrich II. von Preußen, Adolf Hitler) und auch die Gottesdienste bei hohen Festlichkeiten dort stattfinden.

So fanden also auch während des Krieges hier im Saal Kinovorführungen statt. Da die Bestuhlung nicht so dicht war, konnten nicht alle Bewohner der Invalidensiedlung im Saal Platz finden. Auch musste auf die vielen Rollstuhlfahrer Rücksicht genommen werden. Die Rollstühle waren damals sehr groß, schwer und unhandlich.

So wurden am Dienstag die Bewohner aus den Häusern mit den geraden Hausnummern zur Filmvorführung gebeten. Während am Donnerstag die Bewohner mit den ungeraden Hausnummern zur Vorführung kamen. Die Vorführungen waren immer kostenlos und stark besucht.

Der Kinovorführer war gleichzeitig der Schlosser und Heizer in der Siedlung.

Im August 1945 wurde der Saal als Kino verpachtet und eine Kinobestuhlung, die aber nicht fest verankert war, da der Saal ja auch für andere Veranstaltung genutzt werden sollte, beschafft. Nach einem Bestuhlungsplan von 1956 hatten die Stadtrand-Lichtspiele Platz für 200 Personen und einen Platz für einen Rollstuhlfahrer.

Schon im Juni 1952 wurde Gesamt-Berlin, also West- und Ost-Berlin, von dem umgebenden brandenburgischen Land durch Grenzsperren getrennt. Dadurch waren auch die Bewohner von Hohen Neuendorf und Stolpe von der Invalidensiedlung, die zu Berlin gehört, getrennt und ein Besuch in dem Stadtrand-Lichtspiel der Siedlung erschwert. Aber ältere Bewohner von Hohen Neuendorf berichteten mir, dass sie trotz aller Grenzsperren immer ein Weg fanden, um das Lichtspieltheater in der Siedlung auf zu suchen und sich dem Filmvergnügen hinzugeben.

Dies änderte sich aber nach dem 13. August 1961. Jetzt war die Invalidensiedlung durch den Mauerbau hermetisch von Hohen Neuendorf und Stolpe abgetrennt und kein Bewohner dieser Orte konnte mehr durch die Grenzsperren, um sich ein Film im Kino der Invalidensiedlung anzuschauen.

Die Lichtspiele existierten dann noch ungefähr bis 1963, denn es fehlten nach dem Mauerbau 1961 die Besucher aus dem benachbarten Hohen Neuendorf und Stolpe. Auch das Fernsehen hatte zu dieser Zeit schon in die Wohnzimmer der Invalidensiedlung Einzug gehalten. Aus wirtschaftlichen Gründen gab der Pächter das Lichtspiel-Theater im Gemeinschaftshaus auf. Seit damals wurde der Saal für diese Zwecke nicht mehr benutzt. Filmvorführungen waren nun auch nicht mehr kostenlos gewesen. So kam es manchmal vor, dass nicht genug Menschen da waren, um mit der Filmvorführung zu beginnen. Unter 30 Personen war es für den Pächter nicht lohnend. Da sich die Bewohner der Invalidensiedlung und Hohen Neuendorf gut kannten, rannten die Besucher zu den Bekannten in der näheren Umgebung und trommelten sie zu einem Kinobesuch zusammen. Und mit 30 Besuchern konnte dann das Filmvergnügen beginnen.

Wie schon erwähnt, war der große Saal des Gemeinschaftshauses nach den Richtlinien für Lichtspieltheater von 1939 ausgestattet und man kann noch heute Spuren im Saal entdecken.

Blickt man von der Bühne in den Saal, so entdeckt über die um den ganzen Saal herumlaufender in einer Kehlung befindlicher Beleuchtung die Öffnungsklappe für die dahinter befindlichen Projektoren. Auf der Bühne sieht man oben die Leinwand, die man mit einer Kurbel herunterlassen kann. Auch der noch vorhandene Bühnenvorhang wird durch eine Kurbel betätigt. Rechts und links der Bühne befinden sich noch Lautsprecher für die Filmvorführung. Die Lautsprecher dienten aber nicht nur zur Filmvorführung sondern werden auch heute als Lautsprecher bei anderen Veranstaltungen genutzt.

An den Türen zum Vorraum erkennt man die Notbeleuchtung sowie ihre Kennzeichnung.

Den eigentlichen Filmvorführraum mit den Projektoren erreicht man nur über die Terrasse durch Treppenaufgang. Am Ende der Treppe ist man sofort im Filmvorführraum mit den zwei Projektoren der Firma Bauer. Ein Mithör-Lautsprecher befindet sich neben den Projektoren.

Die Sichtklappe, durch die die Projektoren den Film auf die Leinwand warfen, kann man auch in den Saal werfen. An der Wand hinter den Projektoren befindet sich ein Wandschrank der die Filmrollen nach ihrer Reihenfolge aufbewahren konnte. Es konnten dort in einzelnen Boxen 12 Filmrollen dort untergebracht werden, davon eine für Werbung. Ob die Filme von Hand oder mittels der Projektoren zurückgespult worden. Konnte nicht ermittelt werden.

Über den Projektoren befindet sich ein Entlüftungsschacht, der mit einer Klappe versehen ist, damit es nicht in Filmvorführraum rein regnet.

In einem daneben befindlichen kleineren Raum ist die elektrische Anlage untergebracht. Von hier konnte die Beleuchtung des Saales gesteuert werden. Die Anlage ist so geschaltet, dass nicht nur von hier die Saalbeleuchtung gesteuert werden kann, sondern auch von der Hauptschalttafel im Erdgeschoß auf dem Gang zur der Bauernstube.

Wie schon erwähnt, stellte der Pächter der Stadtrand-Lichtspiele dann aus wirtschaftlichen Gründen die Vorführungen im Laufe des Jahres 1963 ein. Seitdem wurden die Anlagen nicht mehr benutzt.

Wolfram Sternbeck im Juni 2011

Benutzte Literatur und Archive

 

Sternbeck, Wolfram Das Gemeinschaftshaus und die Sporthalle in der Invalidensiedlung in Berlin-Frohnau. Eine Bestandsaufnahme. (Nicht veröffentlicht; 2004)
Sternbeck, Wolfram Die Invalidensiedlung in Berlin-Frohnau. Die Geschichte der Stiftung Invalidenhaus Berlin. Ein vergessenes Erbe Preußens. Erfurt 2007.

Archiv der Stiftung Invalidenhaus Berlin

Archiv des Verfassers

  Haupteingang mit Uhrenturm 1955
                                                    Blick zur Leinwand 1955
    Saal 1955
                                                              Eingang 2007
   Vorführraum 2010

Vielen Dank an Wolfram Sternbeck für die Bilder und Informationen

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