REGINA

Bergneustadt (Nordrhein-Westfalen), Im Stadtgraben 6

eröffnet: 08.07.1954
geschlossen: ca. 1996
Sitzplätze: 580 (1954/1958) - 549 (1969/1979) - 298 (1980) - 101/60 (1983/1989) - 94/56 (1991)
Architekt: Hanns Rüttgers, Düsseldorf
Betreiber:
Alwin Keller
Eduard Weisgerber
Mia Sanner
Roland Wolf, Gummersbach
1954-1958
1959-1969
1.10.1969-1979
1980-
Kinoname: Capitol
neuer Kinoname: Regina
E6982



In Bergneustadt gab es bereits Anfang der 1930-Jahre erste Bestrebungen, einen festen Kino-Saal  zu errichten. Aber erst 1954 konnten diese Pläne verwirklicht werden. Bis dahin wurden Filme entweder im Saal des Jägerhofs oder im Saal der Fa. Krawinkel vorgeführt.

Quelle: Archiv der Stadt Bergneustadt / Hubertus Dan

Mit dem Farbfilm "Königliche Hochzeit" eröffnete in Bergneustadt 1954 das neuerbaute "Capitol" seine Pforten. Inhaber des 580 Plätze fassenden Theaters waren Alwin Keller und Frau Peifer. Der lehmige Untergrund, auf dem sich das Kino erhob, musste durch schwere Eichenpfähle befestigt werden, so das fast ein moderner Pfahlbau entstand. Der Zuschauerraum wurde durch geschmackvolle Wandbespannungen, aparte Beleuchtungskörper und die mit grünem Kunstleder bezogenen Sesselanheimelnd gestaltet. Ein prächtiger Bühnenvorhang verdeckte die 4,50 x 10 m große Breitleinwand "Ideal II". Die 15 x 7 m große Bühne konnte auch für andere kulturelle Zwecke genutzt werden. Zwei Bauer B 8-Projektoren standen im Vorführraum. Die übrige technische Einrichtung bestand aus zwei Zeiss-Ikon Tonfilmverstärker "Dominar  L", ein SAF-Trockengleichrichter "Jupiter 60" und eine Lautsprecherkombination "Ikovox A".  N5458 E5430

Das Gebäude, in seinen Ausmaßen durch seinen Verwendungszweck vorbestimmt, fügt sich dem Bild des Tales zu Füßen der Oberstadt gut ein. Die Frontseite ist dem „Deutschen Eck" zugewandt und mit ihrem aus Leuchtröhren gebildeten Namen von der Othestraße durch die Verkehrsschlucht beim „Grafen von der Mark" weithin sichtbar. Den wuchtigen Steinstufen, die den Aufgang zur Altstadt abfangen, schließt sich die breite Freitreppe an, die über eine geräumige Terrasse zu den beiden Eingängen in den Vorraum führt. Dieses Foyer ist mit Geschmack ausgestattet: grausilberne Tapeten, helles Holz, breite Glasflächen, blitzendes Messing, dazu als Blickfänge den Eingängen gegenüber eingebaute Schmuckvitrinen, geschickt gefüllt mit Ausstellungsstücken hiesiger Firmen - Schmuck und Reklame zugleich. Links die Kasse, rechts die Garderobe. Zu beiden Seiten samtschwarze Zugänge zu dem eigentlichen Vorführraum.
Er wird beherrscht von der 8 mal 14 qm großen, fast die ganze hintere Querwand einnehmenden Bühne mit einem Mittelvorhang in Gold, grauvioletten Seitenbehängen und breiten, schwarz-weißen Vertikalstreifen als seitlicher Begrenzung. Oben schließt die Bühne ab mit einem horizontalen Fries aus Goldovalen, der zur Decke aus großen grauen, echoschluckenden Platten mit starkbetonten dunklen Fugen überleitet. Lindgrünes Kunstleder spannt sich über die durch weiße Vertikalleisten gegliederten Seitenwände, deren zwölf Lichtstrahler ihr Licht gegen die Decke werfen, wodurch eine angenehme, augenschonende Beleuchtung entsteht. Der Fußboden besteht mit Rücksicht auf die Akustik des Raumes aus Asphalt. Die Reihen der tiefen, bequemen Holzklappsitze schwingen in sanftem Rhythmus zu den Logen empor. Der Raum fasst 580 Besucher und vereinigt als Mehrzweckgebäude - Lichtspielhaus, Theater und Konzertsaal - alle technischen Neuerungen wie Breitwand, 3-D-Filmausrüstung, Raumton und Klimaanlage. Sachliche Kühle ist hier wohnlich gemildert, modernen Auffassungen ist mit Behutsamkeit und Geschmack nachgegeben.
Es lag Premierenstimmung in der Luft, als am Abend des 8. Juli über fünfhundert geladene Gäste zum ersten Male den schönen Raum füllten. Nach einem sauber dargebotenen Hymnus der Feuerwehrkapelle begrüßte der Hausherr, Herr Keller, die Erschienenen, dankte den Behörden und Handwerkern, dem Bauleiter, Architekten Rüttgers, und allen Mitarbeitern, Bürgermeister Schmies, Stadtdirektor Rau, Sparkassendirektor Heinrichs und unserem „Motor" Martin Nockemann in herzlichen Worten und bat zum Schluaa den Bürgermeister, das Haus der Öffentlichkeit zu übergeben. Bürgermeister Schmies warf einen humorgewürzten, oft von donnernden Lachsalven des immer begeisterteren Publikums unterbrochenen Rückblick auf die wirklich denkwürdige Entstehungsgeschichte des Baues. Er erzählte von den langen Bemühungen des Rates und der Verwaltung um ein Lichtspielhaus und von einem Manne, der nach der „befreundeten Nachbarstadt" Gummersbach wollte, sich aber in Niederseßmar „verfuhr" und irrtümlich nach Bergneustadt kam, wo er von Martin Nockemann entdeckt und mit Hilfe von Heimatverein, Verwaltung und Sparkasse schließlich für Bergneustadt „festgenagelt" wurde. Der Redner warf lustige Streiflichter auf die Schwierigkeiten des Baues im Sumpfgelände des Schmittenlochs, wie Eichen gefällt, mit Eisen beschlagen und nach „venetianischer Bauweise" als Pfahlrostfundament in den Boden gerammt werden mussten. Er schilderte mit geradezu dramatischen Akzenten die Nöte der Geldbeschaffung, die dann dank der Findigkeit und Zähigkeit aller Beteiligten doch glücklich überwunden worden seien. So möge das Haus, das er nunmehr eröffne, eine Stätte der Kultur und der Erholung werden. — Im Namen des Heimatvereins und aller ihm angeschlossenen Vereine und Verbände sagte Roland Ising dem Bauherrn Dank für das Verständnis, das er den Bedürfnissen der Kulturgemeinde der Stadt entgegengebracht habe, die nun endlich einen Raum für ihre Veranstaltungen besitze. Der Firma Krawinkel dankte er herzlich dafür, daß sie dem Kulturring so lange Jahre Unterkunft gewährt habe, und sprach die Hoffnung aus, daß dieses gute Verhältnis sich auf die neuen Gastgeber übertragen möge. Durch die nun von ihm verlesene, von Martin Stolle „übersetzte" Glückwunschadresse von „Jettchen und Minchen", den zungenfertigen Wäscherinnen des Losemundbrunnens, klangen eigene Jugenderinnerungen aus der Zeit, da man von Bergneustadt zum Filmbesuch zu Torley nach Derschlag zog und so eine Verbundenheit bekundete, die eines Tages vielleicht festere Formen annehmen könnte. Der Redner schloß mit der Bitte an den Besitzer dieses schönen Theaters, stets um etwas Besonderes bemüht zu bleiben, und an die Bergneustädter, solches Bemühen tat¬kräftig zu unterstützen. Starker Beifall!
Die Lichter erloschen, zum ersten Male erklang in dem neuen Saale das musikalische Motiv der „Neuen deutschen Wochenschau", und dann wartete Heir Keller mit einer filmischen Kostbarkeit auf: dem Farbfilm „Königliche Hoheit* der Schorcht-Filmgesellschaft nach dem weltbekannten und berühmten Roman von Thomas Mann.
Quelle: Mitteilungsblatt Feste Neustadt“ Folge 63 Juli/August 1954 - Stadtarchiv Bergneustadt


Verbunden mit einem Betreiberwechsel nannte sich das Kino ab 1960 "Regina". Anfang der 1980er-Jahre wurde das Haus in zwei Säle aufgeteilt. David Weidemann kann folgendes zum Kino sagen: "Ich war dort ein einziges Mal zu Besuch, das war 1995, als "Batman Forever" in den deutschen Kinos lief. Das Kino wäre an sich recht gemütlich gewesen, aber diverse Sitze waren mutwillig mit Messern aufgeschlitzt, und das ganze Ambiente war dadurch leider sehr heruntergekommen.  Ich vermute mal, dass Vandalismus und Zuschauerschwund hier Hand in Hand gingen, das Kino hat auch bald danach dichtgemacht (vermutlich 96/97). Seitdem befindet sich dort ein Getränkemarkt".

Vielen Dank an David Weidemann für die Informationen.


Ansicht - vermutlich aus den 1960er-Jahren
Bildquelle: Archiv der Stadt Bergneustadt

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